Multimodale Behandlungsverfahren verbessern die Effizienz der lokalen funktionserhaltenden Tumorkontrolle
BERLIN - Eine besondere Herausforderung in der Behandlung von Weichgewebssarkomen stellen insbesondere diejenigen Tumoren dar, die aufgrund ihrer Größe, ihrer Lokalisation (vor allem in der Leiste, der Schulterregion, intra- oder retroperitoneal, thorakal) sowie ihres Wachstumsmusters (extrakompartimentale Lage) eine primäre R0-Resektion fraglich machen oder funktionell bzw. anatomisch mutilierende chirurgische Eingriffe in die Diskussion bringen. In der Regel wird ein multimodales Behandlungsverfahren Grundlage der weiteren Behandlungsempfehlung und therapeutischen Umsetzung sein.
Komponenten multimodaler Therapie sind hierbei die prä- oder postoperative Strahlentherapie (EBRT), die intraoperative Srahlentherapie (IORT), die Brachytherapie (Afterloading-Verfahren), die neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie, bzw. auch die intraarterielle Chemotherapie und als deren Sonderform die isolierte Extremitätenperfusion sowie schließlich die regionale Tiefenhyperthermie. Generelle Behandlungsalgorithmen können hierfür aufgrund der bekannten Heterogenität von Weichgewebssarkomen, ihrer unterschiedlichen Lokalisation, Alter der Patienten, Tumorstadium, Grading sowie des unterschiedlichen Risikoprofils der einzelnen Behandlungsmodalitäten nicht formuliert werden. Prinzipielle Grundlage für die Entscheidung snd die Ergebnisse prospektiver randomisierter klinischer Studien und die Kenntnis von Effizienz und Risiko der jeweiligen Behandlungsmodalität unter Berücksichtigung der individuellen Krankheitssituation jedes einzelnen Patienten. Dabei ist die ausschließliche Betrachtung von Bildmaterial ohne eigenständige klinische Untersuchung des Patienten nicht angemessen. Für eine Abwägung der verschiedenen multimodalen Verfahren können daher hier nur die prinzipiellen Vor- und Nachteile der jeweiligen Methoden allgemein eingestuft und bewertet werden.
Vorteile einer präoperativen Radiotherapie liegen in einer Tumorzelldevitalisierung vor der Operation (günstige Auswirkung auf einen tumorfreien Resektionsrand) sowie in geringeren Langzeitfolgen im Vergleich zur postoperativen Strahlentherapie aufgrund kleinerer notwendiger Strahlen-Volumina und -dosen. Nachteil der präoperativen Strahlentherapie ist das gesteigerte Risiko für postoperative Wundheilungsstörungen, welche in seltenen Fällen sogar zu sekundären Amputationen führten. Diese Beeinträchtigungen sind nach einer postoperativen Bestrahlung wesentlich seltener. Auch kann in Kenntnis der definitiven Histologie (z. B. Grading, Resektionsränder) die Eingrenzung von Risokogruppen vorgenommen werden. Vor Indikation zur postoperativen Strahlentherapie nach R1-Resektion sollte aber prinzipiell die Möglichkeit einer Nachresektion geprüft werden. Denn auch hier gilt, dass zwar bei mikroskopisch befallenem Resektionsrand durch eine postoperative Bestrahlung das Risiko eines lokalen Tumorrückfalls reduziert wird, aber immer noch größer ist als bei nachbestrahlten R0-resizierten Patienten.
Eine weitere interessante radioonkologische Ergänzung eines multimodalen Behandlungskonzeptes kann die intraoperative Strahlentherapie (IORT) vor allem für intrapelviene und retroperitoneale Sarkome sein. Allerdings liegen hierzu nach wie vor keine eindeutigen und vor allem in größeren Studien bestätigten Indikationskriterien vor. Bei der Brachytherapie werden für die Bestrahlung intraoperativ Katheter eingelegt, um im Afterloading-Verfahren das Lokalrezidiv-Risiko durch eine gezielte Bestrahlung des Wundbetts zu reduzieren. Langzeitfolgen der beiden letztgenannten Techniken können vor alle pathologische Frakturen, Nervenausfälle und selten auch Blutungen aufgrund von Gefäßerosionen sein. Auch ist die postoperative Wundkomplikationsrate erhöht. Die Brachytherapie kann ebenso wie die IORT als Boost-Bestrahlung des Tumorbetts in Kombination mit einer prä- oder postoperativen konventionellen Radiotherapie geplant werden. Eine Vergleichbarkeit der einzelnen Ergebnisse mit einer nicht kombinierten Boost-Bestrahlung ist aufgrund der bisher sehr unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Gruppen wenig aussagekräftig. Die beiden Verfahren sollten aber zusätzlich bei besonders komplexer und schwieriger Behandlungssituation als mögliche Komponenten eines multimodalen Behandlungskonzepts zur Verfügung stehen.
In Anlehnung an die guten Ergebnisse der präoperativen Chemotherapie bei primären Knochentumoren wird auch dieser Therapieansatz bei Weichgewebssarkomen unter der Zielstellung der Abtötung eventuell vorhandener Mikrometastasen, sowie einer Devitalisierung und Verkleinerung des Primärtumors zur Optimierung der sich hieran anschließenden Tumorresektion propagiert. Ein genereller Vorteil bezüglich lokaler und systemischer Tumorkontrolle fehlt allerdings bisher, möglicherweise profitieren aber spezielle Untergruppen (High-Grade-Sarkome). Allerdings fehlen auch hierzu Studien, die eindeutig den Vorteil einer präoperativen Chemotherapie im Vergleich z. B. zur präoperativen alleinigen Strahlentherapie belegen.
Ähnliches gilt für reine adjuvante systemische Chemotherapie im Hinblick auf eine generelle Verbesserung des Gesamtüberlebens vom Patienten mit Weichgewebssarkomen. Möglicherweise profitieren aber auch hiervon vor allem Patienten mit G3-Tumoren. Eine adjuvante Chemotherapie bei Weichgewebssarkomen außerhalb von klinischen Studien ist damit derzeit noch kein allgemeiner Behandlungsstandard. Fraglich bliebt auch der Effekt einer lokalen Tiefenhyperthermie in der multimodalen Behandlungskonzeption von Weichgewebssarkomen. Eine hierzu durchgeführte EORTC-Studie ist noch nicht abschließend publiziert. Nach den bisher kommunizierten Analysen konnte eine lokale Tiefenhyperthermie bei fortgeschrittenen Weichgewebssarkomen (vor allem im Oberschenkel/Leisten- und Retroperitonealbereich) zwar das lokale progressionsfreie Überleben, nicht jedoch das metastasenfreie und das Gesamtüberleiben verlängern. Inwieweit sich somit das Verfahren der regionalen Tiefenhyperthermie in der primären multimodalen Therapie des lokal fortgeschrittenen Weichgewebssarkoms etablieren kann, bleibt abzuwarten.
Eine weitere interessante Methode, mit welcher vor allem bei extrakompartmental lokalisierten Weichgewebssarkomen im Extremitätenbereich durch beeindruckende partielle oder komplette Remissionen die Resektabilität gesteigert werden kann, ist die Isolierte Extremitätenperfusion (ILP) mit TNF-alpha. Dieses Verfahren ist aber auch auf spezialisierte Zentren limitiert und erfordert für eine langfristige Tumorkontrolle eine anschließende gezielt geplante Tumorresektion. Im Gegensatz zu dieser Form der regionalen Zytostatikatherapie konnte sich die intraarterielle Chemotherapie (teilweise in Kombination mit Bestrahlung) unter anderem aufgrund hoher regionaler Toxizität und Komplikationsraten bei relativ geringem therapeutischen Ansprechen bisher nicht durchsetzen.
Das aufgezeigte Spektrum multimodaler Behandlungsverfahren ist groß und kann bei abgewogener interdisziplinärer Risiko-Nutzenabwägung die Effizienz der lokalen, funktionserhaltenden Tumorkontrolle deutlich verbessern. Aufgrund der Verfahrensweisen und der Notwendigkeit einer von vornherein interdisziplinären Indikationsstellung setzt dies eine fachgebietsübergreifende Arbeitsweise in einem auf die Diagnostik und Behandlung von Weichgewebstumoren spezialisierten onkologischen Zentrum bzw. eine enge Kooperation mit einem solchen voraus.
Bestandaufnahme, Diagnostik und Therapie maligner Weichgewebstumoren, Mi. 24.02.2010, 16:45 - 18:15 Uhr, Raum: Czerny
Quelle: Onkologische Nachrichten, Kongressausgabe 1 - 02/2010
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